Craniosacrale Körpertherapie
Neben dem Herzschlag und der Atmung verfügt unser Körper noch über eine weitere pulsatorische
Vitalfunktion: die Bewegungen im Craniosacralen System.
Das Craniosacrale System besteht im Wesentlichen aus dem Schädel (Cranium), der Wirbelsäule und
dem Kreuzbein (Sacrum) und beinhaltet einen bindegewebigen Membransack (Dura Mater), in
welchem sich wiederum eingebettet in einer schützenden und nährenden Flüssigkeit (Liquor) unser
Zentrales Nervensystem (Gehirn und Rückenmark) befindet. Die sich abwechselnden Produktions-
und Resorbtionsphasen eben dieses Liquors, d.h. die dadurch entstehenden hydraulischen
Druckschwankungen sind als feine, spezifische Bewegungen im gesamten Körper spürbar.
Ist der Craniosacrale Rhythmus in seiner Ausgewogenheit beeinträchtigt, kann sich dies auswirken
auf Konstitution, Befindlichkeit, Wahrnehmungsvermögen und (emotionale) Verhaltensweisen. Mit
sanften Gewebsmobilisationen wie Zug, Druck und dem Folgen körpereigener Spannungstendenzen
(”Unwinding”) an den entsprechenden Bereichen kann der Behandler dem Craniosacralen System
wieder zu einer freien Pulsation verhelfen. Dies ist eine wichtige Basis für die Regenerationsfähigkeit
unseres Körpers.
Darüber hinaus lässt sich mit dieser Methode Zugang finden zu der Ur-Intelligenz des Körpers. Unser
Gewebe, unser Zellgedächnis, hat nicht nur Informationen über störende Einflüsse gespeichert,
sondern hält oftmals auch einen eigenen Lösungsweg dafür bereit. Im sicheren Rahmen einer
Sitzung und mit der Unterstützung des Behandlers kann sich der Organsismus Gehör verschaffen
und den für ihn notwendigen Prozess durchlaufen.
Die Anatomie des Craniosacralen Systems
Strukturell zählen folgende Bestandteile zum Craniosacralen Systems:
•
knöchern: Schädel, Wirbelsäule und Kreuzbein/Becken
•
membranös: Hirn- und Rückenmarkshaut (Dura Mater), intracranielle Membrane
("Großhirnsichel" und "Kleinhirnzelt")
•
flüssig: Hirn- und Nervenwasser (Liquor Cerebrospinalis)
Im weiteren Sinne können auch zugeordnet werden:
•
muskulär/ligamentär: horizontal verlaufende Körpersegmentierungen (z.B. Beckenboden,
Zwerchfell und obere Thoraxöffnung)
•
nerval: Gehirn, Rückenmark und austretende Wurzeln der peripheren Nerven
Funktionell basiert das Cranialsacrale System auf folgenden Grundlagen:
•
Der Schädel besteht aus mehreren Knochenanteilen, die eine minimale Bewegungsfreiheit
zueinander aufweisen.
•
Die Dura Mater ist eine durchgängige Struktur, die fest mit den Schädelknochen verwachsen
und locker im Wirbelkanal aufgehägt ist (am zweiten Hals- und am zweiten Sakralwirbel). Ihr
Ende ist mir dem Steißbein verwoben. So kann sie leicht Spannungszustände übertragen.
•
Der Liquor wird im Gehirn gebildet und über die Hirnvenen und Nervenaustrittstellen an die
Körperkreisläufe abgeführt. Dies geschieht in periodischen Zyklen, was zu stetigen
Druckschwankungen im "Dura-Mater-Sack" führt (=Craniosacraler Rhythmus).
•
Es besteht eine enge Wechselwirkung zwischen dem Craniosacralen System und Blut-
/Lymphkreislauf, Atemsystem, Vegetativum, Hormonhaushalt und Bewegungsapparat.
Der Atem der Existenz
Genaugenommen kennt die Craniosacrale Therapie mehrere Pulse. Sie stehen miteinander in
Verbindung und repräsentieren unterschiedliche Daseinsebenen des Menschen.
1.
Der Craniosacrale Rhythmus
Der "klassische" Craniosacrale Rhythmus entspringt den Druckschwankungen des
Flüssigkeitshaushaltes im Craniosacralen System. Man kann sich dieses Prinzip vorstellen wie
einen Luftballon, dem einmal etwas Luft zugegeben und dann wieder etwas Luft entzogen wird.
Es entsteht ein Wechselspiel zwischen Ausdehnung und Zusammenziehen. Das Craniosacrale
System gibt diese Bewegungen über angrenzende Gelenke, Band- und Gewebsverbindungen
sowie hydraulischen Impulsen über die verschiedenen Körperflüssigkeiten an den gesamten
Organismus weiter. Bei der Ausdehnung (="Inspirations- oder Flexionsphase") beispielsweise
rotieren die Extremitäten nach außen, Hinterhaupt und Kreuzbein beugen sich nach unten-
vorne und der Querdurchmesser des Schädels vergößert sich. Beim Zusammenziehen
(="Exspirations- oder Extensionsphase") rotieren die Extremitäten nach innen, Hinterhaupt und
Kreuzbein stecken sich nach oben-hinten und der Längsdurchmesser des Schädels vergrößert
sich. Tatsächlich sind die Bewegungsrichtungen und Drehachsen der Stukturen, v.a. der
einzelnen Schädelknochen, etwas differnzierter. Hier soll nur eine Vorstellung des Prinzipes
vermittelt werden.
Daseinsebene: physisch-strukturell
Frequenz: 6 - 12 Zyklen / min
2.
Die Mid-Tide-Pulsation
Bei Auftreten dieses Pulses wurde die rein physische Ebene bereits verlassen.
Wahrgenommen werden nicht mehr unterschiedliche somatische Strukturen, sondern der
Körper erscheint als einheitliches Bio-Energie-System. Er fühlt sich an als sei er gänzlich aus
Wasser oder eine flirrenden Wolke aus bioplasmatischen Partikeln.
Daseisebene: flüssig-energetisch
Frequenz: 2 - 3 Zyklen / min
3.
Die Long-Tide-Pulsation
Dieser Puls geht über die begrenzende Individualität des einzelnen Menschen hinaus und und
hält ihn untrennbar geborgen in seiner kosmischen Natur.
Daseinsebene: kosmisch-universell
Frequenz: 1 Zyklus / 100 sec
Es besteht die Annahme, die Long-Tide-Pulsation entspränge der kosmischen Gesetzesdynamik und
generiere die Mid-Tide-Pulsation, welche wiederum den Antrieb böte für den Craniosacralen
Rhythmus. Somit wäre dieser ein Ausdruck der Verwobenheit des Menschen mit der all-einen
Existenz. Dem gegenüber steht die o.g. Thoerie des autarken, intrinsisch-physiologischen
Eigenantriebes. Von welcher Seite man sich dem Phänomen auch nähern mag, der Craniosacrale
Rhythmus steht für einen der grundlegensten und potentesten Lebensprozesse des Menschen.
Das Vorgehen der Craniosacralen Therapie
In der Craniosacralen Körpertherapie verschmelzen Diagnosestellung und Behandlung miteinander,
d.h. das Auffinden von Störfelder geht meist mit deren Auflösung einher. Hierbei handelt es sich
nicht um Diagnosen im schulmedizinischen Sinne, vielmehr um eine Zustandsaufnahme des
Craniosacralen Systems (Evaluation) und das Aufspüren von Unausgewogenheiten. Techniken für
eine solche Primärpunktbestimmung sind:
•
Pulsdiagnose: Beurteilen des Cranio-Pulses hinsichtlich seiner Qualitäten wie Frequenz,
Amplitude, Symmetrie und Vitalkraft.
•
Fasziengleiten: Erspüren der Freiheitsgrade bindegewebiger Strukturverbindungen
•
Arcing: Orten von Punkten gebundener Energie über deren konzentrische Radiation
Es gibt diverse Möglichkeiten, Restiktionen zu lösen und den Cranio-Puls wieder zu einem freien
Fluß zu verhelfen. Je nach Ursache und Beschaffenheit des Ungleichgewichts, seine Einbindung im
Gesamtorganismus und der allgemeinen Zugänglichkeit des Klienten können unterschiedliche Wege
beschritten werden. Oft lassen sich die einzelnen Techniken nicht wirklich voneinander trennen und
greifen ineinander:
•
Stillpoint: Herbeiführen eines kurzfristigen Stillstandes des Cranio-Pulses für eine
nachfolgende Vitalisierung
•
Unwinding: Entwirren von gewebsinternen Spannungsmuster
•
V-Spreiz-Technik: Aufweichen von Restriktionen mittels manueller, zielgerichteter
Energiebestrahlung
•
Somato-Emotional Release: Abrufen und Bearbeiten im Körper gespeicherter Empfindungen
und Erinnerungen
•
Therapeutisches Gespräch: Ressourcenorientierte Dialogführung, auch mittels innerer Bilder,
Visualisierungen u.ä.
Darüberhinaus bietet die Craniosacrale Arbeit einen geeigneten Rahmen, Elemente aus anderen
Methoden zu integrieren. Einige bereichernde Ansätze bieten z.B.: Trauma-Therapie nach Peter
Levine ("Somatic Experiencing"), Focusing, NLP (Neurolinguistisches Programmieren),
Imaginationsreisen, Thermodiagnostik oder Formen der Energie-Arbeit.
Intrinsische Intelligenz
Die Craniosacrale Körpertherapie ist eine achtungsvolle, nicht direktive Behandlungsform, die
Gesundungsprozesse initiieren, aufrechterhalten und verstärken will. Sie richtet ihre
Aufmerksamkeit weniger auf das Ausmerzen von Krankheitssymptomen als auf das Bahnen von
Gesundheit, indem sie Kraftquellen, Energieressourcen und bereitliegende Potentiale offenlegt. Die
grundlegende Frage hierbei lautet:
"Wie ist die Gesundheit in diesem Menschen organisiert?"
Jedem Körper wohnt eine Instanz inne, die nicht nur darum weiß, was der Mensch für seine eigene
Heilwerdung braucht, sondern auch dazu in der Lage ist, die dafür benötigten
Selbstheilungsmechanismen in Kraft treten zu lassen. Die Sprache dieses Inneren Heilers ist eher
fein, leise und optional ausgerichtet. Sie wird in einem lauten, schnelllebigen und oftmals
fremdbestimmten Alltag zu leicht überhört.
Dieser Stimme zu lauschen, ihr Be-Achtung, Raum und Zeit zu geben, ihr zu vertrauen und ihren
Lösungsvorschlägen tatsächlich auch Folge zu leisten ist das eigentliche Anliegen der
Craniosacralen Körpertherapie.